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Channel: Frank T. Zumbachs Mysterious World
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L.S. Mercier: From `Nouveau Paris´, 1795

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“Ich würde gerne wissen,” so sagte er in betreff auf den Scharfrichter, “was sich auf seinem Gesicht ereignete und ob er sein schreckliches Geschäft lediglich wie ein Gewerbe betrachtet hat (…) Er hat das junge Mädchen gesehen, wie es am Vorabend seiner Hochzeit dem Tode die Stirne bot, kaltblütiger als der berühmte d´Estraing, von dessen Ruhmestaten ganz Europa widerhallte.

Wie schläft er, nachdem er die letzten Worte empfangen und die letzten Blicke all der abgetrennten Köpfe geschaut hat? (…) An seine Ohren drang der Applaus und die rasenden Schreie tausender entfesselter Weiberfurien beim Anblick dieses schrecklichen Blutbades. Er schläft, sagt man, und es kann gut sein, daß er dies ruhigen Gewissens tut. (…) Zwar war er nicht – wie der Scharfrichter in Nantes – alles in Personalunion, als Henker, als Präsident der Societés populaires und als Zeuge, der gegen die Beschuldigten aussagen sollte. Man erörterte nicht, wie in Nantes, das Glück, ihn als Schwiegersohn zu haben; man sah nicht, wie in Nantes, daß Personen von hohem Rang und jeden Standes mit einem liebkosenden Anflug auf ihn zu sprechen kamen und seine blutigen Hände freundschaftlich drückten. Und die Pariserinnen bekamen nicht, wie viele Frauen aus Nantes, die hochrote Guillotine zu Gesicht.

Er empfing, sagt man, die Entschuldigung der Königin, als sie auf dem Schafott aus Versehen mit ihrer Fußspitze auf die seine trat. Was hat er gedacht? Er wurde lange aus der königlichen Schatzkammer entlohnt. Was für ein Mann, dieser Sanson! Er kommt und geht, wie jeder andere. Gelegentlich besucht er einen Schwank im Theater, er lacht, er schaut mich an. Mein Kopf ist ihm entwischt, er weiß davon nichts (…)”

(zit. in Guy Lenotre, Die Guillotine, Kadmos Verlag, Berlin 1996)



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