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Channel: Frank T. Zumbachs Mysterious World
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Mislena Preindlsberger-Mrazovic: Der Vampyr (Auszug), aus `Bosnische Volksmärchen´

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Die drei seltsamen Gefährten, die das Schicksal zusammengeführt, machten sich auf nach dem Dorfe am Rande des Waldes, das sie nach vielem Mühsal erreichten. Noch war es finstere Nacht, als sie an die Haustüren der Dörfler pochten und um Gottes und des Gekreuzigten willen um Beistand baten. Den Leuten fuhr der Schreck in die Knochen. Seit langem schon schlich sich ein langsames, stetes Sterben durch das Dorf; seit langem trübte und verunreinigte etwas immer wieder ihre Tränken und Brunnen, verdarb das Saatgut in den Speichern. »Ein Vampyr ists, ein Vampyr!«, ging es in bleicher Furcht flüsternd von Mund zu Mund. Ein kohlschwarzer Hengst ohne irgend einem Abzeichen wurde herbeigeführt, und während die Weiber und Mädchen ermahnt wurden, die Kinder und das Herdfeuer zu behüten, entzündeten die Männer an der heiligen Herdflamme die Kienholzfackeln, der Älteste ergriff den zitternden Hengst am Halfter und schritt betend mit dem Mönch, der Witwe des wilden Jägers und dem Räuber voran. Die übrigen folgten schweigend.

So zogen sie nach dem Friedhofe, der auf dem Scheitel eines steinigen Hügels lag. Als die Männerschar keuchend hinauf kam, sahen sie einen schwarzen Menschenschatten dahinhuschen und verschwinden, der ein weißes Laken über der Schulter trug. Es heulte und pfiff in den Lüften, und der Sturm versuchte die Fackeln auszulöschen. Um jeden Schritt kämpfend, drangen die Männer vor und leuchteten dann über jedes Grab hin, ob es auch unversehrt sei und nichts auf einen Vampyr hindeute. Sie suchten und suchten, bis sie endlich an der Ostseite eines eingesunkenen Grabes ein Loch fanden, aus dem etwas herauslugte. Ein Beherzter griff hin und zog einen buntgestickten Socken hervor, den das Weib des Jägers als einen von denen erkannte, die sie dem Toten auf der Bahre angezogen und den jetzt der Vampyr verloren hatte, als er eiligst in sein Grab geschlüpft war. Der Rapphengst wurde vorgeführt, und obgleich er willig über jedes Grab schritt, über das des wilden Jägers brachte ihn keine Macht. Schläge und Lockungen versagten.

Es sprach nun der alte Bauer: »Männer, es scheint klar zu sein, daß dies hier das Grab eines Vampyrs ist. Tun wir also, was in solchen Fällen unsere Ahnen taten, um dem Volke und dem Toten die Ruhe wiederzugeben.«

In frommem Gesange erhob sich hierauf des Mönches Stimme über den Sturm. Die Männer fällten den Stamm eines alten Hagedorns, machten einen Pfahl zurecht und ließen seine Spitze von dem Feuer ankohlen, das sie mit den Fackeln von ihrem gesegneten Herde mitgebracht. Dann öffneten sie das Grab.

Unten lag der Tote ganz unversehrt, so wie er vor langen Jahren in die Erde gebettet ward. Die Männer bildeten einen Kreis und hielten die Fackeln hoch, und in dem zuckenden, blutigroten Schein zuckte auch des Vampyrs von rotem Menschenblute gequollener Leib. Und jetzt stieß der Mönch den Hagedornpfahl dem Vampyr wuchtig durch die Brust; dann tat es dessen Weib, dann dessen Sohn und dann alle Männer dem Alter nach. Der Vampyr wand und wälzte sich unter den Stößen, und herzzerreißende Seufzer stiegen aus dem Grabe herauf, Laute, wie jene, die ein Felsblock ausstößt, wenn er losgebrochen wird von seinem Mutterboden …

Der Sturm war verstummt, die Sonne ging auf, und im Grabe lag nur mehr eine unförmliche Masse. Die Männer entblößten das Haupt und schlossen das Grab. Jetzt ruhte der wilde Jäger in ewigem Frieden.



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