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Channel: Frank T. Zumbachs Mysterious World
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Gutenachtgeschichte: H.H. Otto: Das Kindmännlein, aus `Bimb der Affenkönig´ (3)

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Als er unter Mittag die knarrende Pforte öffnete und dem Sang der Vögel lauschte, erschrak er heftig – -

Ein kleines, treuherzig dreinblickendes Knäblein stand vor der Tür und spielte mit den Händlein an einer Kette aus reifen Johannisbeeren.

Da nahm er es bei der Hand und sagte: „Armes Kindlein, bist so allein, hast keine Eltern mehr? Komm herein zu mir, sollst ein warm Süpplein haben – – und ein kleines Mädchen, mit dem du spielen kannst.“

Bei diesen Worten glommen die Augen des Kindes wie glühende Kohlen auf, so daß er fast erschrak. Er ließ sich aber nichts merken. Nur das Kindmännlein piepste mit schriller Stimme: „Ich fürchte mich, weil ich nicht kenne dich.“

Aber – du willst doch das kleine Mädchen nicht warten lassen,“ mahnte der König.

Und wieder piepste das Kindmännlein: „Laß mein Kettelein mir, dann folg´ich Dir.“

Der König frohlockte. Warum sagte das Kindmännlein, daß er ihm die Kette nicht nehmen sollte? Nun erst recht wollte er es tun! Vielleicht war das des Zaubers Lösung?

Du darfst es behalten,“ sagte er laut und trat mit ihm ins Haus. Dem Hofmarschall klopfte das Herz zum Halse hinaus, als er den König mit dem Kindmännlein sah. Welche Folgen könnte der Wagemut des Königs haben?!

Was sind deine Händlein so kalt?“ fragte der König. „Setz dich auf meinen Schoß.“

Vom Wind, der schadet jedem Kind,“ piepste das Kindmännlein. „Sogleich wird das Mädchen kommen,“ beruhigte der König das Kindmännlein. Im selben Augenblick tat er, als ob er zur Tür sehe. In Wirklichkeit aber griff er nach dem Kettlein aus Johannisbeeren und riß es herab.

Der Erfolg war furchtbar. Aus den treuherzigen Augen des Kindmännleins wurden plötzlich feurige Kreise , den kalten Händchen entwuchsen lange Krallen, undm die Haare glichen verfilzten, schmutzigen Rattenhaaren. Das Gesichtchen wurde älter und älter, bis es einem vertrockneten Wurzelstrunk ähnelte.

Dieses sonderbare, teufliche Wesen aber hielt der König mit eiserner Hand im Genick fest, so daß ihm all sein Schreien und Strampeln nichts half. Er hieß den Hofmarschall und den jungen Bauern die große eiserne Kiste herbeischaffen, in die er das fürchterliche Geschöpf verschloß.

Erst dann gab sich der König dem Bauern zu erkennen. Da fiel dieser vor Schreck auf sein Antlitz nieder und dankte ihm von ganzem Herzen dafür, daß er die Gefahr von seinem Kindlein wandte. Gleichfalls sorgte er dafür, daß bald alle Nachbarn von der Anwesenheit und der guten Tat des Königs wußten.

Da brachten sie eine prächtige Kutsche, in der er die Heimreise zu seinem Schloß antreten konnte. Diese Reise aber wurde eine einzige Jubelfahrt.

In seinem Schloß angekommen, berief der König sofort ein großes öffentliches Gericht ein. Es wurde beschlossen, das Kindmännlein zu verbrennen.

Als jedoch die Kiste geöffnet wurde, zeigte es sich, daß das Kindmännlein darin inzwischen vertrocknet war. Ein winziges, struppiges Etwas, schwer wie ein Stein, lag darin.

Zur Freude aller Menschen wurde es verbrannt und der Stein, aus dem das Kindmännlein geformt war, barst in den Feuersgluten unter lautem Krachen auseinander.

Und der König sagte freudig: „Möge es sein, daß nun nicht ein ärgerer Zauberer kommt und sein Wesen treibt.“

Die Kinder aber bat er, in Zukunft den Eltern all die Liebe zu beweisen, die ihnen zustände.

………………

Als Bimb, der Affenzauberer erfuhr, was man mit seinem steinernen Kindmännlein gemacht hatte, trat er heftig mit dem Fuße auf und schwor Rache. „Fünfzig Kinder fehlen mir!“ schrie er. „Ich werde sie dennoch holen!“



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